Diskussion/ Discussion

2017 (Juni) (Radiosendung, Diskussion)

Unter Druck: Senegals friedfertiger Islam

Dieses informative Feature wurde vom schweizer Rundfunk SRF 2 am 14. Mai 2017 gesendet. Einer der Gesprächspartner war Prof. Bakary Sambe, Vorstandmitglied der Stiftung WEM.

Wer den Senegal kennen lernen will, wird schnell auf die Sufi-Bruderschaften stoßen. Sie sind außerordentlich breit und fest in der Gesellschaft verankert und haben großen Einfluss auf Kultur, Politik und das religiöse Leben. Die ‚confrèries‘ vertreten eine spezifisch afrikanische Ausprägung des Islam, der dennoch auch einige Aspekten mit der europäischen und arabischen Mystik und ihren Lehren teilt.  Keine Frage, dass dieser Islam dem in den Golfstaaten vertretenen nicht entspricht und von dorther auch starkem und finanzmächtigem Druck ausgesetzt ist. Prof. Bakary Sambe, der an der Université Gaston Berger in St. Louis (Senegal) lehrt, ist Gründungspräsident des Timbuktu Institute – African Center for Peace Studies. Das Institut untersucht die politisch-religiöse Situation insbesondere in Westafrika unter den Aspekten Gewaltprävention und Bildung.

 


Artikel

2017 (Januar)

Bernd Thum
Wir brauchen neue Brücken.

In: Kulturaustausch. Zeitschrift für internationale Perspektiven 1/2017, S. 66

Der Autor wirbt für eine Stärkung der Kulturbeziehungen zu Sahel-Afrika im Rahmen eines ‚funktionalen‘ euro-afro-mediterranen Raums. Migration und Sicherheit sind auch für Thum wichtige Themen, sie sollten aber in größere gesellschaftlich-kulturelle, ‚funktionale‘ Zusammenhänge gestellt werden.

„Wie wäre es, auf der Grundlage langfristig wirkender wirtschaftlicher, politischer und demografischer Fakten eine Karte der großen Interaktionsräume zu erstellen, in denen Deutschland, eingebunden in ein funktionales Beziehungsgefüge regionaler, aber auch globaler Akteure seinen spezifischen Ort hat? In den räumlichen Konturen, die sich aus einem solchen Beziehungsnetz ergeben, könnten sich im Rahmen einer multilateralen Kulturpolitik, die zivilgesellschaftliche Akteure aus verschiedenen Ländern zusammenführt, neue politische Orientierungen entwickeln.“

Entscheidende Bedeutung hat für Deutschland und Europa neben dem transatlantischen und dem europäisch-russisch-zentralasiatischen Raum besonders auch der europäisch-mittelmeerisch-subsaharische Raum. Für das Zusammenwirken mit den USA tritt in Deutschland die Vereinigung ‚Atlantik-Brücke‘ ein. Wäre, so fragt der Autor, nicht auch eine ‚Mittelmeer-Sahara-Brücke‘ denkbar?

Prof. Bernd Thum ist Präsident der Stiftung Wissensraum Europa-Mittelmeer (WEM) e.V.

Vgl. auch

Bernd Thum (Heidelberg/ Karlsruhe): From the Euro-Mediterranean Partnership towards a Geopolicy of the Wider Euro-Mediterranean Area as a ‚Functional Space‘ (2015)

English version

Bernd Thum

We need new bridges. Linking the European-Mediterranean-Sub-Saharan Area as a functional space.

In: Kulturaustausch. Zeitschrift für internationale Perspektiven 1/2107, S. 66

The author suggests to strengthen cultural relations not only to the Maghreb, but also to Sahel-Africa within the framework of a ‚functional‘ Euro-Afro-Mediterranean region. Migration and security are important issues for him, too, but they should be placed in larger socio-cultural, ‚functional‘ contexts.

See also:

Bernd Thum (Heidelberg/ Karlsruhe): From the Euro-Mediterranean Partnership towards a Geopolicy of the Wider Euro-Mediterranean Area as a ‚Functional Space‘ (2015)


 

Artikel (Diskussion)/  Article (discussion)

Mohieddine Hadhri: The Mediterranean: Yesterday, Today and Tomorrow.

In: Giuseppe d’Angelo – Jorge Martins Ribeiro, Borders and Conflicts in the Mediterranean Basin. Fisciano, Italy, ICSR Mediterranean Knowledge 2016, S. 11-23 (= Mediterranean, Knowledge, Culture and Heritage 2) (online: http://mediterraneanknowledge.org/publications/index.php/bookseries)

Der Autor geht aus von der alten und neuen Problematik des erweiterten Mittelmeeraums als Ort der Integration und des Konflikts. Als Gegenbild erscheint das arabisch-christlich-jüdische Andalusien des Mittelalters. Wie lässt sich das angegriffene „mittelmeerische Gebäude“ rekonstruieren als Notwendigkeit auch im Kontext globaler Geopolitik? Im Artikel werden einige Konzepte genannt, die sich bei entsprechendem politischen Willen umsetzen ließen: die Vertiefung des Diskurses über das Erbe Abrahams, das durch das Thema ‚Islam in Europa‘ neues Gewicht bekommt; Verbreitung des Wissens über die alten kulturellen Verbindungen zwischen den aus dem Mittelmeerraum stammenden Kulturen Ägypten, Griechenland, Rom, arabische Hochkultur, italienische Renaissance u.a., wobei die Beiträge des Orients und des Maghreb schärfer beleuchtet werden müssten;  Betonung der Brückenfunktion von Regionen wie Sizilien, Städten wie Córdoba und Persönlichkeiten wie Leo Africanus, Goethe…; Studium der Literaturen und Künste (Ilias, Odyssee, Sindbad…), neue Sicht auf den so genannten Orientalismus. Ausführlich geht der Autor auf die Rolle der Wüste ein, ein Faszinosum für Europäer und mythisch-spiritueller Raum für Araber. Dies führt ihn zu einem engagierten Plädoyer für die Einbbeziehung des saharischen und subsaharischen Raums und seines kulturellen Erbes in den euro-mediterranen Raum. Dies entspricht auch dem Raumkonzept, das von der Stiftung WEM vertreten wird. Prof. Hadhri ist Vorstandsmitglied der Stiftung WEM.

(B.T.)

 


Empirische Studie

2016 (Oktober)

Timbuktu Institute, Dakar

Facteurs de radicalisation.
Perception du terrorisme chez les jeunes dans la Grande bandlieue de Dakar

Sous la direction de Dr. Bakary Sambe,
Mouhamadou Bâ, Geneviève Duchenne, Yague S. Hanne, Mame Seyni Mbaye

Faktoren der Radikalisierung.
Wahrnehmung des Terrorismus bei Jugendlichen in der Banlieue von Dakar.

Wissenschaftliche Leitung: Dr. Bakary Sambe, Mouhamadou Bâ, Geneviève Duchenne, Yague S. Hanne, Mame Seyni Mbaye

In dieser Untersuchung kommen junge Leute der Banlieue von Dakar (Senegal) zu Wort. Es geht um ihre Wahrnehmung von Radikalisierungsprozessen und Terrorismus sowie ihre Einstellungen dazu.

Eine Mehrheit von 32 Prozent glaubt, dass „Radikalisierung“ und „Extremismus“ auf eine falsche Interpretation des Islam zurückgehen, 25 Prozent lehnen Gewalt im Namen des Islam ab. Nur sieben Prozent der befragten jeunes sind der Meinung, es handele sich dabei nur um eine rigoristischen Praxis des Islam und bringen dies auch klar zum Ausdruck. Allerdings ist ein ganzes Drittel nicht in der Lage, Antworten zu geben – nach Auffassung der Forscher ein bedenklicher Sachverhalt.

Fast die Hälfte halten Armut und Arbeitslosigkeit für das „Bett“ des Terrorismus. Wenn man – so die Forscher – dieser Angabe Bildungsdefizite, einschließlich der religiösen Bildung, sowie eine verbreitete Verzweiflung hinzufüge, so verstehe man, dass „68 Prozent der Jugendlichen zum Staat und den seinen Dienstleistungen kein Vertrauen haben.“

In dieser Hinsicht sind nur 15 Prozent der befragten jungen Leute mit dem Unterricht in den öffentlichen Schulen des Senegals zufrieden. Zugleich könne man aufgrund der Befragung beobachten, wie die politische Klasse sowie die Institutionen des Landes an Vertrauen verlören. Der politische Akteur, der den verwalteten Bürgern am nächstes stehe, nämlich der Bürgermeister, habe gerade einmal das Vertrauen von 0,7 Prozent der Jugendlichen!

Die Studie enthält auch verschiedene Positionen der jungen Leute gegenüber staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen Terrorismus, zur militärischen Präsenz und zu Interventionen ausländischer Mächte wie auch Meinungen und Einstellungen zu den Ländern, die von terroristischen Angriffen heimgesucht werden oder werden könnten.

(Aus der Vorankündigung der Untersuchung auf der Website des Timbuktu-Instituts am 2.Oktober 2016)

Die Studie enthält auch Angaben zur Methodik, zur Rolle der Geistlichen, zu religiösen und staatlichen Gesetzen, zum politischen Wissen der Jugendlichen, zu Radikalisierungsprozessen, zu Verantwortlichkeiten u.a.

Prof. Sambe ist Vorstandsmitglied der Stiftung WEM.


2016 (Juni)

François de Bernard (Toulouse)
Haben Sie „Würde“? – Vous avez „dignité„?

Im Zusammenhang mit substantiellen Willkommens- und Integrationsprojekten für Flüchtlinge in der Stadt Palermo, die der Autor als Beispiele einer „Politik der Würde“ bezeichnet (Beteiligung von Flüchtlingen an einem Kulturrat, ‚Charta von Palermo‘), befasst sich WEM-Mitglied François de Bernard, Philosoph, Kulturkritiker, Unternehmensberater, mit Notwendigkeit und Abwesenheit von Würde in der Politik. Seine Beobachtungen und Überlegungen finden sich in der in Genf erscheinenden Zeitung ‚Le Courrier‘ vom 15. Juni 2016, deren Wahlspruch lautet: „L’essentiel, autrement“, also: „Das Wesentliche, aber anders“. Hier ein Auszug:

„An der Börse großzügiger oder gar ‚humanitärer‘ Aktionen stellt die Würde einen Wert mit sinkender Tendenz dar. Bei den Politikern, wo sie nie besonders kultiviert wurde, ist sie seit ihrem letzten Vertreter, Nelson Mandela, eigentlich gänzlich verschwunden. Universitäten und Schulen lehren sie nicht, identifizieren sie nicht einmal, sie bleibt die große Abwesende. In Unternehmen und Verwaltungen wird sie weder verlangt noch gefördert, im Gegenteil. In den Massenmedien wird sie als eine Art Pest empfunden, die man, koste es, was es wolle, meiden und aus dem Weg gehen muss…Nur einige zwar wichtige, aber an Zahl geringe Vereine und Kollektive befassen sich damit und leben sie im Alltag. Manchmal lässt auch ein starker Satz des Papstes die Gewissen erwachen. Aber fast überall erscheint Würde als kontingent, überflüssig, nebensächlich. nutzlos, besonders in den Augen der satten Oligarchen, für die sie nur eine lästige Behinderung darstellt, derer man sich gern entledigt“

De Bernard schließt mit einer Frage und einer Forderung an seine Leser: „Haben Sie Würde? Beweisen Sie es!“

Text in Französisch:

„A la bourse aux actions généreuses, voire «humanitaires», la dignité est une valeur en baisse. Chez les politiques, où elle ne fut jamais très cultivée, elle a complètement disparu avec son dernier représentant, Nelson Mandela. A l’Université comme à l’école, elle n’est ni enseignée ni distinguée; c’est la grande absente. Dans les entreprises et les administrations, elle n’est ni requise ni promue, et tout au contraire. Dans les médias de masse, c’est la représentation de la Peste, ce qu’il faut éviter et fuir à tout prix… Seuls quelques associations et collectifs, importants mais minoritaires, s’en préoccupent vraiment et la vivent au quotidien. Parfois même une parole forte, comme celle du pape, vient réveiller les consciences. Mais presque partout elle semble contingente, accessoire, inutile, en particulier aux yeux des oligarques satisfaits : un encombrement de plus dont ils se débarrassent volontiers.

„[…] Vous avez dignité? Prouvez-le donc!


2016 (Februar)

Artikel

Dr. François de Bernard (Toulouse) ist Präsident des Groupe d’Etudes et de Recherches sur les Mondialisations (GERM), Tournefeuille, Frankreich, und Mitglied der Stiftung WEM. In der elektronischen Ausgabe der angesehenen belgischen Zeitung ‚La Libre Belgique‘ (La Libre.be) verurteilt de Bernard – aus französischer Sicht – mit starken Worten die Überlagerung, ja Verdrängung der notwendigen Diskussion über eine strategische Planung für den Euro-mediterranen Raum, ja, der Politik überhaupt, durch die alarmistische Formel vom „Krieg gegen den Terrorismus“. Er vergleicht dies mit dem seit vierzig Jahren anhaltende Reden über einen „Krieg gegen die Arbeitslosigkeit“. Die alles übertönende Rede vom „Krieg gegen den Terrorismus“ schaffe genau die alles erstickende Atmosphäre, die Bin Laden dem Westen angedroht habe. De Bernard warnt vor einem möglichen realen Krieg, der dann aber nichts anderes wäre als ein „einfacher, barbarischer Kampf, hirnlos, konzeptlos und fern aller strategischen Dimension“.

Zu ‚La Libre Belgique‘

François de Bernard

La „guerre contre le terrorisme“ remplace la politique. In: La Libre.be, 18. Februar 2016

(Der „Krieg gegen den Terrorismus“ ersetzt die Politik)


2016 (Januar)

Artikel

Prof. Bakary Sambe, Universität Gaston Berger in Saint-Louis (Senegal), Vorstandsmitglied der Stiftung WEM, Präsident des Timbuktu Institute (Dakar), kommt in einem Artikel von dw.com als genauer Beobachter politisch-religiöser Entwicklungen in Afrika zu Wort und äußert sich pessimistisch über die Situation in Westafrika. Diese sei durch das Einwirken der mächtigen sufistischen Bruderschaften bisher einigermaßen stabil gewesen. Dies sei jetzt, wie die Ereignisse in Oouagadougou zeigten, nicht mehr gewährleistet.

Christine Harjes: Wie stabil ist Senegals moderater Islam?



2015

Artikel

Dieter Richter: Germanistik.

In: Mihran Dabag, Dieter Haller, Nikolas Jaspert (Hrsg.):
Handbuch der Mediterranistik.Systematische Mittelmeerforschung und disziplinäre Zugänge

Paderborn: Wilhelm Fink / Ferdinand Schönigh, 1. Aufl. 2015, S. 145-151.

Im Kontext des interdisziplinären ‚Handbuchs‘ vertritt Dieter Richters Beitrag das Fach Germanistik. Der Artikel beginnt mit einer nüchternen Feststellung: „Die deutsche Literatur hat keine besondere Affinität zum Meer“. Im Zeitalter der Entdeckungen verliere der deutschsprachige Raum den Anschluss an die seefahrenden europäischen Länder (auch Frankreich), bleibe aber doch auf der für die europäische Geschichte wesentlichen Nord-Süd-Achse. Es wäre doch befremdend, wenn Richter, Verfasser der beiden essentiellen Bücher über den ‚Süden. Geschichte einer Himmelsrichtung‘ (2009) und ‚Das Meer. Geschichte der ältesten Landschaft‘ (2014), mit seinem Diktum über die Meer-Ferne der Deutschen und ihrer gleichsprachigen Nachbarn auch für das Mittelmeer-Thema in der deutschsprachigen Literatur einen Schlusspunkt gesetzt hätte. Das ist aber nicht so: Von den Pilger- und Kreuzfahrerberichten des Mittelalters über die empfindsamen und klugen Italien-Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts sowie die literarischen Wanderer des 20. führt die Lektüre bis zu den archaisierenden Mythologieen vom Ursprung Europas aus dem Geist des Mittelmeers – ebenfalls im letzten Jahrhundert markant vertreten – und schließlich zum Mittelmeer als „Mnemotop“ (Jan Assmann), einer „literarischen Erinnerungs- und Bildungslandschaft der Deutschen“. (D. Red.)
Dieter Richter ist Mitglied der Stiftung WEM e.V.


2015 (Oktober)

Interview

Bernd Thum: Das Mittelmeer als Zukunftsraum.
Die OSZE Mittelmeer Konferenz

Interview des Südwestrundfunks (2. Programm) mit Prof. Bernd Thum, Präsident der Stiftung WEM e.V., am 20. Oktober 2015.

Angesprochen werden der erweiterte Mittelmeerraum als funktionaler Raum, die Einbeziehung des saharischen Afrikas, die Bedeutung zivilgesellschaftlicher und diplomatischer Aktivitäten, gemeinsame Probleme und gemeinsame Lösungen, Globalisierung und Regionalisierung u.a.

Die Mittelmeerkonferenz der OSZE 2015 findet in Jordanien statt. Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Marokko und Tunesien sind mediterrane Partnerstaaten der OSZE.

 


2015 (September)

In einem Beitrag zu der in der Schweiz erscheinenden Zeitung Le Temps macht der französische Philosoph und Consultant François de Bernard, Präsident des GERM und Mitglied der Stiftung WEM e.V., für die dramatischen Verhältnisse im Nahen Osten, in Nord- und Nordostafrika sowie ihre Auswirkungen auf Europa dieses selbst mitverantwortlich. Europa habe es seit siebzig Jahren bei vielen Gelegenheiten versäumt, ein europäisches Modell zu entwickeln, das sich durch Harmonie, Gerechtigkeit und Solidarität auszeichne und auf Kultur und Miteinander ausgerichtet sei.Dies habe verheerende Wirkungen nach innen wie nach außen.

François de Bernard
Réfugiés: la montagene europénne accouche d’une souris monstrueuse

(„Flüchtlinge: Der europäische Berg gebirt eine monströse Maus“)

In: Le Temps, Lausanne, 30. September 2015

 


2015 (August)

Artikel

Bernd Thum (Heidelberg/ Karlsruhe)
From the Euro-Mediterranean Partnership towards a Geopolicy of the Wider Euro-Mediterranean Area as a ‚Functional Space‘

In: Udo Steinbach, Rupert Graf Strachwitz, Piero Antonio Rumignani (Eds.):
Europe and the Mediterranean. Talking, Learning, Working, and Living together (2)

Berlin: Maecenata Stiftung 2015, p. 30-35 (= Europa Bottom-up. Arbeitspapiere zur europäischen Zivilgesellschaft/ European Civil Society Working Papers, Nr. 12)

Content:

(1) The concept of a ‚functional space‘ and its relevance for a multilateral, cooperative and non-objectivist geopolicy.

(2) The Mediterranean area as an object of ‚classic‘ and perhaps ‚pot-classic‘ geopolitics.

(3) How can the wider Euro-Mediteranean area – from Dublin to Damascus, from the Niger to the North Cape – be perceived as a functional space? Some social, economic and cultural references.

(4) Which geopolicy should be proposed for the Wider Euro-Mediterranean Area?

Prof. Thum ist Präsident der Stiftung WEM e.V.


2015 (Mai)

Die unsinnige Zweiteilung Afrikas.
Weiße Perspektiven

Die Trennung von Nordafrika und Subsahara-Afrika mag gebräuchlich sein – aber sie ist mörderisch. Und sie spaltet den Kontinent bis heute.

In: taz.de (13.05.2015)

„Wer Nordafrika als einen arabisch-islamischen Gürtel von Hochkultur begreift, der Europa vom richtigen , unterentwickelten Afrika trennt, ist fassungslos darüber, dass die Sahara so löcherig ist und die Menschen nicht aufgehalten werden. Plötzlich rückt uns Afrika nahe, und wir wissen nicht genau, wie wir damit umgehen sollen. […] Die Sahara trennt nicht, sie verbindet, ebenso der Nil.“ (zit. aus dem Artikel)

Für die Stiftung Wissensraum Europa-Mittelmeer (WEM) e.V. reicht der Euro-Mediterrane Raum „von Dublin bis Damaskus, vom Niger bis zum Nordkap“ (Devise). Der Artikel des Ressortleiters Ausland der taz, Dominic Johnson , ist sehr zu begrüßen. Die aufmerksame Lektüre sei empfohlen. Es geht um mehr als um einen interessanten Blickwechsel, eher eine dringende ‚geopolitische‘ , also auch ‚geokulturelle‘ Neuausrichtung im Interesse Europas und Afrikas. Dafür treten Mitglieder der Stiftung ein.

Vgl. den Aufsatz von Bakary Sambe (Saint Louis/ Senegal): Ist eine politische Heirat eine historische Trennung wert? Die Union für das Mittelmeer und Sahel-Afrika
(2009/11)

und den Artikel von Bernd Thum (Karlsruhe/ Heidelberg): Eine Geopolitik funktionaler Räume. Der Erweiterte Mittelmeerraum als Beispiel
(2014)

 


2015 (März)

Bakary Sambe (Saint-Louis, Senegal):
Boko Haram, du problème nigérian à la menace régionale.

Le Caire: Timbuktu Editions 2015

„Au-delà des tueries et des attaques récurrentes que sait-on, réellement, de Boko Haram, de sa stratégie, des profils de ses membres, de l’idéologie qui motive leurs actions et attitudes vis-à-vis de l’Etat nigérian et de la communauté internationale ? Comment, d’un problème nigérian, fruit de frustrations accumulées et d’une rupture de repères et d’imaginaire, Boko Haram est, progressivement, devenue une menace régionale ?“

Bakary Sambe: Boko Haram. Vom Problem Nigerias zur Bedrohung der Region, Kairo: Timbuktu Editions 2015

Der Autor untersucht die Strategien, das Profil der Mitglieder sowie die Ideologie von Boko Haram, die deren Aktionen und ihrer Haltung gegenüber dem nigerianischen Staat und der Internationalen Gemeinschaft zugrunde liegt. Wie konnte die Gruppe von einem Problem Nigerias, begründet in wachsender Frustration sowie einem Bruch von Orientierungsmöglichkeiten und eingespielten Vorstellungen, zu einer Bedrohung der ganzen Region werden? (d.Red.)

Dr. Bakary Sambe, Centre d’etudes de religion der Université Gaston Berger in Saint-Louis (Senegal), ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Stiftung WEM e.V.

Im Mai 2015 informierte er auch in Deutschland über Boko Haram, so an der Technischen Universität Chemnitz:

http://www.dakaractu.com/Bakary-Sambe-a-Chemnitz-Universitat-Allemagne-Faisons-aussi-tomber-le-mur-de-l-incomprehension-entre-Islam-et-Occident_a90253.html
Ebenso am 26. Mai in der Akademie der Konrad Adenauer-Stiftung in Berlin:

http://www.kas.de/wf/de/33.41432/


 

2015 (Januar)

Dr. Bakary Sambe du Centre d’Etude des Religions (CRAC-UGB):
« Les sociétés européennes et leurs communautés musulmanes doivent exorciser leur mal de vivre-ensemble ! »

Dr. Bakary Sambe vom Centre d’Etude des Religions (CRAC-Université Gaston Berger): „Die europäischen Gesellschaften und ihre muslimischen Gemeinschaften müssen ihr Unbehagen am Zusammenleben austreiben“

Bakary Sambe ist Direktor des Observatory on Religious Radicalism and Conflicts in Africa (ORCRA) der Université Gaston Berger in Saint-Louis (Senegal) und Vorstandsmitglied der Stiftung WEM .e.V.

Interview dans/ in Dakaractu, Dakar (Sénégal), 13 janvier 2015

Extrait/ Auszug:

„La stigmatisation de l’Islam et des musulmans va malheureusement s’aggraver. Mais, aussi bien l’Europe que ses musulmans doivent avoir conscience de la nécessité d’exorciser leur mal de vivre-ensemble. L’Europe doit avoir l’intelligence de procéder à une forme d’ethnologie inversée et reconsidérer son regard sur elle-même car le monde a changé comme les sociétés européennes, elles-mêmes, sont dans une profonde mutation depuis des décennies sur le plan démographique comme culturel et religieux. L’autoglorification et l’apologie nombriliste ne peuvent plus avoir de sens. De même, les musulmans d’Europe comme d’ailleurs se doivent de sortir des oppositions fantasmagoriques entre l’Occident et l’islam qui n’ont plus aucun sens depuis la fin des aires culturelles et civilisationnelles homogènes par le biais de la globalisation. La solution de leurs problèmes existentiels se trouve dans leur capacité de conjuguer leur passé et leur héritage au présent et de ne pas se livrer à une forme d’idolâtrie du passé ou d’ « entêtement rétrospectif » comme dirait Iqbal.“

„Leider wird die Stigmatisierung des Islam und der Muslime voranschreiten. Aber sowohl Europa wie auch die Muslime müssen sich bewusst werden, dass sie ihr Unbehagen an ihrem Zusammenleben austreiben müssen. Europa muss so intelligent sein, zu einer Art auf sich selbst bezogener Ethnologie zu kommen und seine Sicht auf sich selbst überdenken, denn die Welt, wie auch die europäischen Gesellschaften selbst, befinden sich einem tiefgreifenden Wandlungsprozess, und dies seit Jahrzehnten, demographisch, kulturell und religiös. Selbstbeweihräucherung und eine apologetische Nabelschau dürfen nicht mehr als sinnvoll betrachtet werden. Ebenso müssen sich aber auch die Muslime in Europa und anderswo von bloß eingebildeten Gegensätzen zwischen dem Westen und dem Islam emanzipieren. Diese Phantasmen haben, seitdem es als Folge der Globalisierung abgegrenzte homogene Kulturräume nicht mehr gibt, keinerlei Sinn mehr. Die Lösung identitärer Probleme bei den Muslimen ist in ihrer Fähigkeit zu suchen, ihre Geschichte und ihr Erbe mit der der Gegenwart zu verbinden und sich nicht einer Art Götzendienst der Vergangenheit sowie jenem ‚retrospektiven Eigensinn‘ auszuliefern, von dem Mohammed Iqbal gesprochen hat.“

Prof. Bernd Thum, président de la Fondation WEM/ Präsident der Stiftung Wissensraum Europa-Mittelmeer (WEM):

Prise de position à l’occasion de l’interview avec Bakary Sambe (Saint-Louis, Sénégal)

Stellungnahme bei Gelegenheit des Interviews mit Bakary Sambe (Saint-Louis, Senegal)

dans/ in: Dakaractu, Dakar, 13. Januar 2015

La Fondation Espace du Savoir Europe-Méditerranée (WEM) continuera poursuivre ses objectifs : faire prendre conscience des savoirs culturels, échanger des savoirs ainsi que développer ces savoirs en commun au nord et au sud de l’Espace Euro-Méditerranéen. Pour faire face à la terrible spirale de la violence, pour affronter sa logique révoltante, la Fondation ne dispose que de peu de moyens : le dialogue ciblé et approfondi, l’affinement de la perception culturelle, le renforcement de l’empathie, la réflexion commune sur les formes du vivre-ensemble, le travail réalisé en commun à des projets communs ainsi que finalement la ténacité avec laquelle elle promeut l’idée d’une communauté de solidarité euro-méditerranéenne.

La Fondation WEM comprend les cultures comme des entités ouvertes et complexes se trouvant en contact avec d’autres cultures. Des règles civilisationnelles valables pour tous permettent l’échange et le développement mutuel. A nouveau, et toujours à nouveau, l’Espace Euro-Méditerranéen est l’atelier de développement culturel. Les cultures sont des structures subtiles auxquelles beaucoup d’hommes, beaucoup de générations ont participé et contribué, participant et contribuant encore. On peut endommager ces structures de l’intérieur et de l’extérieur. Mais on peut les renforcer aussi en respectant leur essence : différenciation, fonctionnalité, dynamisme et l’esprit de solidarité et d’ humanité.

Die Stiftung Wissensraum Europa-Mittelmeer (WEM) wird ihr Ziel ständig weiterverfolgen, kulturelles Wissen bewusst zu machen, Wissen auszutauschen und dieses Wissen in Nord und Süd des Euro-Mediterranen Raums gemeinsam weiter zu entwickeln. Um der Gewalt und den Weisen des Denkens, die dahinter stehen, zu begegnen, hat die die Stiftung nur wenige Mittel: den zielführenden Dialog, die Schärfung kultureller Wahrnehmung, die Stärkung von Empathie, das gemeinsame Nachdenken über Formen des Zusammenlebens, die gemeinsame Arbeit an konkreten Unternehmungen, und schließlich auch die Beharrlichkeit, mit der sie für die Idee einer euro-mediterranen Solidaritätsgemeinschaft eintritt.

Die Stiftung versteht Kulturen als offene Gebilde, die sich im Kontakt mit anderen Kulturen befinden. Zivilisatorische Regeln, die für alle gelten, erlauben Austausch und wechselseitige Entwicklung. Wieder, und wie so oft, ist der Euro-Mediterrane Raum die Werkstatt kultureller Entwicklung, auch über Konflikte. Kulturen sind subtile Strukturen, an denen viele Menschen, viele Generationen mitgewirkt haben und mitwirken. Man kann Kulturen von innen und außen beschädigen. Man kann sie aber auch stärken, indem man respektiert, was ihre Eigenart ausmacht: Differenziertheit, Funktionalität, Dynamik, Solidarität und Humanität.


2015

Marcel Ernst (Stuttgart):
Dialog, Diplomatie, Diskurs – „mit der islamischen Welt“.

Zur auswärtigen deutschen Kultur- und Bildungspolitik im ‚euro-mediterranen Raum‘. Vorschläge und Handlungsempfehlungen aus kulturwissenschaftlicher Sicht

Dr. phil. Marcel Ernst ist Gründungsmitglied der Stiftung Wissensraum Europa – Mittelmeer (WEM). Seine Dissertation „Dialog mit der islamischen Welt“– Diskurse deutscher Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik im Maghreb, als Buch erschienen im transcript Verlag 2015, untersucht mit diskursanalytischen Methoden die sprachlich-gedankliche Form der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) gegenüber dem und im Maghreb.

Das hier separat vorgelegte Positionspapier enthält Vorschläge für ein modifiziertes „Dialog-Modell“ mit teilweise neuen Handlungsfeldern und Akteuren.